Allgemeines

Krafttraining für Triathleten

von Katrin Spägele - 18 Jan, 2017

Neben einem regelmäßigen Ausdauersport ist ein strukturiertes Krafttraining ein wichtiger Bestandteil des Triathlon-Trainings. Für eine erfolgreiche Saison sollten deshalb alle Muskelgruppen gekräftigt werden. Wie, wann, welche Muskelgruppen und Übungen, aber auch die Frage warum, beantwortet uns Tobias Drachler (26) von ProAthletes. $PreviewBreakSeit 2010 ist der Masterstudent der Deutschen Sporthochschule Köln in der 1. und 2. DTU Triathlon Bundesliga regelmäßig am Start und seit 2017 Profi über die Mitteldistanz.

Als verantwortlicher Trainer und Leistungsdiagnostiker im Team von ProAthletes will Drachler Ausdauersportler immer weiter voranbringen und gewohnte, sowie bequeme Routinen aufbrechen. Neben der ganzheitlichen Betreuung der Athletin/des Athleten, ist durch die Vernetzung aller Team-Kompetenzen auch das Weiterentwickeln bestehender Konzepte und Verfahren das übergeordnete Ziel von ProAthletes. „Dinge nicht zu nehmen wie sie sind, sondern uns stets zu fragen wie kommt die Athletin/der Athlet/der Sport und die Verfahren weiter und wie werden sie alle besser“, stellt sich Drachler jeden Tag als persönliches Ziel. Für uns steht er als Experte für die Fragen rund ums Krafttraining bereit und gibt wichtige Tipps und Ratschläge zu einem abwechslungsreichen und effektiven Training.

Warum ist ein Krafttraining für Triathleten wichtig und warum reicht Ausdauer alleine nicht aus?

Kraft- und Athletiktraining, die aus unserer Sicht immer interagieren sollten, sind für den Triathlon (generell den Ausdauersport) von großer Bedeutung. Neben ihrer Zugehörigkeit zu einem funktionierenden und gesunden Gesamtsystem, stellen diese beiden Trainingsformen eine wesentliche Leistungsreserve für alle Athleten - aller Leistungsklassen dar. Weiterhin können durch sie, mit der Voraussetzung korrekter Ausführung, zeitnah positive Entwicklungen erzielt werden. Den wesentlichen Faktor stellt aus unserer Sicht hierbei, der Aspekt der Verbesserung des Gesamtsystems dar. Hierfür ist vor dem spezifischen Krafttraining (mit Gewichten) eine gute Ausprägung der Rumpfstabilität die wesentliche Voraussetzung. Ohne diese Stabilität kann die Kraft der Extremitäten nicht zielführend und gewinnbringend „übersetzt“ werden.
Die Formen der Entwicklung können dabei sehr vielfältig sein, bspw. eine Zeitenverbesserung, ein verbessertes Körpergefühl oder eine optimierte technische Ausführung der geforderten Bewegungsabläufe oder aber in einem stabileren Gesamtsystem, welches die täglichen (Trainings-) Belastungen besser verkraftet. Die Effekte eines korrekt ausgeführten Kraft- und Athletiktrainings stellen für jeden eine Leistungsreserve dar und sollten daher in jedem ganzheitlichen Trainingskonzept ihren festen Platz einnehmen.

Welche Muskeln sollten vor allem einem Krafttraining unterzogen werden?

Im Idealfall sollte aus Sicht des angesprochenen ganzheitlichen Trainings, folglich auch ein ganzheitliches Krafttraining stattfinden. Dies bedeutet vor allem ein aufeinander abgestimmtes Training der Agonisten und Antagonisten. Trainiert man beispielsweise den triceps brachii (Ellenbogenstrecker), so ist dieser wesentlich für den Antrieb im Schwimmen verantwortlich und nicht der biceps brachii (Armbeuger). Nichts desto trotz muss der letztgenannte Antagonist auch stark genug sein, dem erstgenannten Agonisten als Wiederlager zu dienen und diesen auch zu entlasten. Als wesentliche Muskeln für den Schwimmantrieb im Oberkörper sind neben dem bereits genannten Triceps, vor allem der pectoralis major (Brustmuskel) und der latissimus dorsi (breiter Rückenmuskel) zu nennen.
Für die Teildisziplin des Radfahrens zielführend ist das Training der Oberschenkelmuskulatur mit ihrem vorderen Anteil quadriceps femoris (vierköpfiger Oberschenkelmuskel). Hierbei ist vor allem der vastus lateralis (äußerer Oberschenkelmuskel) zu nennen, da dieser schnell ermüdet. Die Folge ist eine Kompensation durch den vastus medialis (innerer Oberschenkelmuskel) und hieraus resultiert im Letztgenannten eine hohe Affinität für Krämpfe. Gleichsam liegt der Fokus auf der rückseitigen Oberschenkelmuskulatur (ischiocrurale Muskulatur). Dabei ist vor allem deren Flexibilität zu trainieren um den optimalen Wirkungsgrad der vorderseitigen Muskulatur zu unterstützen und die Einnahme der aerodynamischen Position auf dem Rad zu fördern. Ebenfalls ist das Training des gluteus (Gesäßmuskel) mit all seinen Anteilen und der Wadenmuskulatur hervorzuheben.
Beim Laufen stellen die Adduktoren eine oft vernachlässigte bzw. durch den eigentlichen Laufvorgang selbst nur ungenügend trainierte Muskelgruppe dar. Nicht selten stehen Verletzungsmuster mit diesen im Zusammenhang. Wesentlich für den Laufvorgang ist das Training des bereits beim Radfahren genannten quadriceps femoris, der zugehörigen Antagonisten, also die ischiocrurale Muskulatur, des gluteus und schließlich der Wadenmuskulatur.

Wie häufig sollte ich ein Krafttraining durchführen?

Die Literaturlage empfiehlt für Anfänger eine Häufigkeit von zweimal pro Woche mit Abständen von mindestens zwei Tagen, um der beanspruchten Muskulatur eine ausreichende Regeneration zu ermöglichen. Fortgeschrittenen wird eine Häufigkeit von dreimal pro Woche empfohlen. Eine weitere Steigerung empfiehlt sich beim sogenannten „Splittraining“, also der Aufteilung des Krafttrainings in Muskelgruppen, bspw. montags bevorzugt Beinkraft, mittwochs Oberkörperkrafttraining, freitags erneut Krafttraining der unteren Extremitäten und abschließend sonntags wiederum die Oberkörpermuskulatur zu trainieren.
Letztendlich sollte speziell für den Triathlon nie vergessen werden, dass es sich beim Krafttraining um ein unterstützendes Training handelt. Sollte daher die Durchführung einen dauerhaft negativen Einfluss auf die Hauptsportarten nach sich ziehen, muss eine Umgestaltung und/oder Reduktion des Krafttrainings ins Auge gefasst werden. Natürlich wird gerade zu Beginn des Krafttrainings der ein oder andere Muskel, aufgrund der ungewohnten Belastung und somit durch den neuartigen Reiz, stärker ermüdet als durch eine gewohnte Ausdauerbelastung. Dennoch sollte, nach dieser initialen Phase, die Durchführung des weiteren Trainings nur geringfügig beeinflusst werden.

Wie baue ich ein Krafttraining am besten in meinen Trainingsplan ein?

Optimalerweise sind Ausdauer- und Krafttraining mit zeitlich möglichst weitem Abstand voneinander im Tag zu integrieren. Bspw. Krafttraining morgens, „leicht-intensives“ Ausdauertraining abends.
Zu beachten sind dabei die Wechselwirkungen dieser beiden Trainingsformen aufeinander. Führt man ein Ausdauertraining unmittelbar im Anschluss an ein Krafttraining durch, so beeinflusst man den Effekt der ersten Trainingsform. Aufgrund der sich gegenseitig interagierenden Signalwege, wird der Kraftgewinn durch das aerobe Training gemindert. Dennoch eignet sich diese Trainingsfolge sehr gut. Die Begründung liegt in der zu Beginn noch fitten Muskulatur und somit höheren Wahrscheinlichkeit der technisch sauberen Ausführung des Krafttrainings. Außerdem kann so der intensive Trainingsreiz mit einem leicht-intensiven Ausdauerreiz „nachbereitet“ werden.
Bei guter athletischer Ausbildung kann ein anschließendes Intervalltraining den Effekt des Krafttrainings verstärken. Mit der vorangegangenen starken Ermüdung steigt jedoch das Risiko von Haltungsschwächen, Überlastungen und im schlimmsten Fall von Verletzungen. Daher empfiehlt sich an einem Tag, an dem die unteren Extremitäten im Fokus des Ausdauer-Trainings stehen, ein Rumpf- und/oder Krafttraining des Oberkörpers/der Arme.

Kann ich das Krafttraining zu Hause machen oder brauche ich ein Fitnessstudio?

Für das Körperstabilisationstraining ist kein Fitnessstudio erforderlich. Hier gibt es mehr als ausreichend viele Übungen mit dem eigenen Körper(-gewicht), wenigen Zusatzgeräten und/oder Haushaltsgegenständen. Gleiches gilt für das Krafttraining. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht und kleinem Zusatzgerät für ein effektives Training sind auch hier ausreichend vorhanden. Natürlich sind nicht alle Übungen ohne weiteres zu Hause durchzuführen, bzw. irgendwann reicht das eigene Körpergewicht oder die Gerätschaften in den eigenen vier Wänden nicht mehr aus. Dies orientiert sich stark an Trainingsstatus und den räumlichen Gegebenheiten. Ist ein gewisses Trainingsniveau erreicht, empfiehlt es sich eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio bzw. den Zugang zu professionelleren Geräten zu organisieren.

Ich überlege mir Kleingeräte für mein Krafttraining anzuschaffen, welche wären sinnvoll?

In Bezugnahme auf die vorherige Fragestellung empfehlen sich Geräte, die eine möglichst große Übungsvielfalt ermöglichen. So sind die klassischen Kurzhanteln mit verschiedenen Gewichtsscheiben, ein Medizinball und ein Terra-Band als „Starterkit“ zu nennen. Gleichsam sind Kettle-Belts und eine Langhantelstange äußerst vielseitig einsetzbar.

Was sind typische Kraftübungen für Triathleten?

Die „typische“ Kraftübung für Triathleten gibt es nicht. Wie immer ist hier jeder athletisch anders ausgebildet und bringt andere Voraussetzungen mit. So wird ein Triathlet mit einer schwimmsportlichen Vergangenheit zumeist andere Muskelgruppen verstärkt „schulen“ müssen, als z.B. ein ehemaliger Radsportler oder Fußballer.
Dennoch gibt es einige Übungen mit denen die für den Triathlon wesentlichen Muskelgruppen sehr effektiv angesprochen werden:

  • Squats (Kniebeugen)
  • Ausfallschritte
  • Klimmzüge
  • Liegestütz
  • Rudern
  • Dips

Aufgrund ihrer Sonderstellung und als elementare Grundvoraussetzung sind bei der Rumpfstabilität folgende Übungen zu nennen:

  • Hackungen (auch diagonal), Schwimmer, YTWL (Schulterstabilisierungsübungen)
  • Unterarm-, Seit- und Rückstütz
  • Cruches, Sit-Ups, Beckenheben, Beine absenken
  • Übungen für die Adduktoren und Abduktoren

Die Liste ist beliebig zu erweitern oder je nach Schwächen individuell abzustimmen.

Was bewirken sie und worauf ist zu achten?

Wie bereits angemerkt stellt das Kraft- und Athletiktraining eine ergänzende, bei richtiger Ausführung äußerst vielversrechende, Leistungsreserve dar. Trotz des Status als „Ergänzung“ sollte es deswegen nicht weniger bewusst oder vernachlässigt betrieben werden. Wer unregelmäßig, unkontrolliert und ohne Kenntnis seiner Defizite ein Krafttraining durchführt, ist prädestiniert für Überlastungen, Verletzungen und generell kontraproduktive Trainingseffekte.
So ist ein ausgeprägter Bizeps bestimmt hübsch anzuschauen und macht Eindruck im Fitnessstudio oder auf der Arbeit, allerdings nicht bei Triathleten. Schließlich weiß man, dass der wesentliche Muskel für das schnelle Schwimmen der Antagonist des Biceps, also der Triceps ist. Ebenso ist ein Six- oder Eight-Pack, also eine gut trainierte Bauchmuskulatur, für die Rumpfstabilität förderlich, nicht jedoch alleine. Nur eine ebenso trainierte Rückenmuskulatur als Gegenspieler und Wiederlager ist hier das Entscheidende.

Aus all diesen Beispielen lassen sich folgende Kurzempfehlungen ableiten:

  1. Wissen um die eigenen (muskulären) Schwächen und Stärken. Dieses kann spätestens durch einen Besuch beim eigenen Physiotherapeuten sehr spezifisch und zielführend ermittelt werden.
  2. Zielorientiertes Kraft- und Athletiktraining: Wie werde ich schneller oder fühle mich bei der Ausführung meines Sports gestärkter?
  3. Hypertrophie (also Muskelwachstum) ist lediglich eine überleitende Stufe des Krafttrainings von Kraftausdauer und Maximalkrafttraining. Die beiden letztgenannten sollten dabei die wesentlich dominierenden Trainingsformen darstellen.
  4. Krafttraining ist ein zusätzliches Training, welches nicht auf Dauer das „Haupttraining“ zu sehr einschränken sollte.
  5. Richtige Bewegungsausführung in möglichst „erholtem“ Zustand.
  6. Generell die wichtigste Empfehlung: Lasst zu Beginn einen fachkundigen Trainer euer Krafttraining begleiten oder seid zu zweit. Das eigene Körpergefühl täuscht die/den erfahrenste/n Athletin/Athleten und führt gerade zu Beginn zur Gewöhnung an falsche Bewegungsmuster. Dadurch ist das Training ineffektiv und nicht selten entstehen Überlastungen oder Verletzungen.
  7. Keine Angst vor Kraft- und Athletiktraining! Richtig ausgeführt können hier sehr große Leistungsreserven aktiviert werden!

 

Vielen Dank an Tobias Drachler für sein umfangreiches Interview. Wir wünschen ihm viel Erfolg in der kommenden Saison und freuen uns, dass er uns weiterhin als Experte zur Seite stehen wird.

Wenn ihr noch weitere Fragen rund um das Thema Krafttraining habt, dann besucht doch mal die Homepage von ProAthletes. Dort findet ihr viele interessante Themen und ein junges Team, das euch mit eigenen Erfahrungen und kompetenter Beratung zur Seite steht.